Schon Goethes Faust wusste, dass das, was »ihr den Geist der Zeiten heißt« vielmehr »der Herren eigene[n] Geist« darstellt. Nach linguistic turn und Diskursanalyse sind sich auch Historiker zeitgeistiger Einflüsse auf die Geschichtsschreibung bewusst geworden. Im Kontext der Wissenschaftsgeschichte altorientalistischer Forschung lässt sich eine Tendenz erkennen, zeitgeistige Einflüsse grundsätzlich einzugestehen, wobei dies aber nicht unbedingt zur (Neu-)Bewertung älterer Publikationen, sondern allenfalls zu deren ›Aussortierung‹ führt. Zeitgeist erscheint dabei als diffuser Begriff, mit dem vieles ›entschuldigt‹, aber wenig wirklich erklärt wird. Hinzu tritt das Phänomen der Instrumentalisierung von Vergangenheit zur Erklärung der eigenen gesellschaftspolitischen Gegenwart. Der Band will diesem historiographischen ›Framing‹ nachgehen und Darstellungen zur altägyptischen »Arbeiterbewegung«, dem »Königtum in Mesopotamien«, »Totaler Religion« in Amarna oder einer »sumerischen Renaissance« u.a. analysieren. Die Auseinandersetzung hiermit relativiert nicht den Wert altertumswissenschaftlicher Forschung, sondern leistet einen Beitrag zu dessen Aufrechterhaltung.
»Der König, mein Bruder…«›Framing‹, Selbstbespiegelung und Selbstvergewisserung in der Historiographiegeschichte altorientalistischer Fächer
»Das Buch bietet durch die schlaglichtartigen Beispiele einen vielfältigen Blick auf das Thema Geschichtsschreibung und sensibilisiert für ein genaueres Hinschauen.«
Ellen Rehm, Antike Welt