Die »kleine Theorie« der Interpassivität entstand in den 1990er Jahren gegen den Hype um interaktive Kunst und setzte dem Beteiligungswahn jener Jahre die Hypothese des sich selbst betrachtenden Kunstwerks entgegen. Zunächst standen kulturelle Phänomene wie das Dosengelächter oder Gebetsmühlen im Zentrum. Kann Glauben delegiert werden? Lässt das Lachen aus dem Off einer SitCom den Fernsehapparat an unserer Stelle genießen?
Der Band knüpft neue Anschlüsse an verschiedene sozial- und geisteswissenschaftliche Themen und lenkt das Augenmerk auf den politischen Gehalt des Konzepts. Die Beiträge begegnen damit erneut der Interaktivitätsideologie, die – mittlerweile zum universellen Analyseraster aufgeblasen – eine allgegenwärtige Anrufung zum Mitmachen »mit Leib und Seele« legitimiert. Die für moderne Subjektivität grundlegende Trennung von aktiv und passiv, von Tun und Lassen, wird in der Perspektive der Interpassivität genauso fragwürdig, wie die (neoliberale) Hypothese interaktiven Mitgestaltens. Interpassivität eröffnet dagegen den Blick auf zahlreiche heterogene Phänomene, die sich dem ordnenden Zugriff des Interaktivitätsdiskurses zu entziehen vermögen. Die Frage allerdings, ob Interpassivität den Zugang zu Freiräumen bzw. politischen Alternativen eröffnet, oder ob sie das Abstellgleis einer »interaktiven« Gesellschaft beschreibt, wird durch die AutorInnen des vorliegenden Bandes unterschiedlich beantwortet.
Wir sind nie aktiv gewesenInterpassivität zwischen Kunst- und Gesellschaftskritik
Mit Beiträgen von Fernando Ramos Arenas, Thomas Binder-Reisinger, Robert Feustel, Jens Hälterlein, Florian Heßdörfer, Rosemary Hogarth, Nico Koppo, Florian Mundhenke, Elke Müller, Viola Nordsieck, Gijs van Oenen, Robert Pfaller, Henje Richter, Hagen Schölzel, Silvan Wagner und Aleksander Miłosz Zieliński.