Im Werk des österreichischen Autorenfilmers Michael Haneke finden sich zwei Merkmale in ständiger Wiederkehr: das plötzliche Hereinbrechen verstörender, nicht-verstehbarer Ereignisse in die Handlung sowie die prominente Rolle oft störungsbehafteter Medien. So unstrittig dieses Beieinander von Sinnlosigkeit und Technik in Hanekes Filmen auch ist: Die Frage, ob beide Elemente womöglich auf ein und dieselbe Sache verweisen – nämlich auf die hermeneutische Widerspenstigkeit technischer Medien –, ist von bisherigen Forschungsbeiträgen nicht gestellt worden. Die These des Buches lautet, dass das Nicht-Verstehbare bei Haneke geradewegs mit dem Unlesbaren in Gestalt zeitgenössischer Medien zusammenfällt. Diese Denkfigur gilt es zunächst auf ihren akademischen Ort zu verweisen: den Widerstreit zwischen textbasierter Hermeneutik und technikzentrierter Medientheorie. Sodann wird für jeden der drei im Mittelpunkt stehenden Filme ein eigenes Paradigma angeboten. Benny's Video entpuppt sich als die Inszenierung einer medial ermöglichten Lektüre-Verweigerung durch den jugendlichen Protagonisten; die Serienkiller in Funny Games sind Stellvertreter einer Destruktion von Linearität, welche einen epistemologischen Keil zwischen die Systeme Alphabet und Apparatur einerseits, Analog- und Digitaltechnik andererseits treibt; in Caché schließlich scheitert die bücherversessene Hauptfigur an der Autorlosigkeit technisch generierter Bilder. Hanekes Filme klagen demnach die Unmöglichkeit hermeneutischer Verheißungen in einem hochtechnischen Zeitalter ein. Dies weist sie als ästhetische Phänomene aus, die bestimmten Formen materialistischer Medientheorie und -kritik eine bislang beispiellose Sichtbarkeit verleihen.
Buch Taschenbuch, broschiert
Berliner PROGRAMM einer Medienwissenschaft, Band 7
Januar 2013
176 Seiten
37 Abbildungen
15 x 23 cm
ISBN 978-3-86599-155-3 9783865991553
Buch
22,50 €
inkl. MwSt.zzgl. Versandkosten
erscheint in 2. Auflage im Frühjahr 2015
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