Am Peter Szondi-Institut der Freien Universität Berlin wird seit fünf Jahrzehnten Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft gelehrt. Das auf eine Überschreitung der Nationalphilologien angelegte Institut wurde 1965 für Peter Szondi eingerichtet. Indem er sich einerseits an der internationalen Komparatistik orientierte, andererseits an der Frankfurter Schule, legte er den Akzent von Anfang an auf Theorie. Das Versprechen der Theorie war gekoppelt an die Aufarbeitung der Geschichte, für die der Holocaust-Überlebende Szondi mit seiner Biographie stand. Mit seiner spezifischen Verbindung von Theorie und »philologischer Erkenntnis«, von Geschichtsphilosophie und Gattungspoetik, hat Szondi keine Schule geschaffen, sondern einen singulären Raum für eine zugleich textnahe, theoretische und gegenüber dem (hochschul-)politischen Geschehen kritische Literaturwissenschaft geprägt.
Es ist kein Zufall, daß die deutschsprachige Rezeption von Derrida und Lacan von hier ausging. Der Titel »Nach Szondi« verbindet die Zäsur, die sein Tod für die Geschichte des seit 2005 nach ihm benannten Instituts darstellt, mit der Frage, welche Transformation Szondis Konzept von Literaturwissenschaft in der weiteren Entwicklung erlebte, wie es historisiert und zugleich weiterhin als Aufgabe verstanden werden kann.
Der vorliegende Band ist aus einem kollektiven Experiment der Auseinandersetzung heutiger Studierender mit Archivalien und Ehemaligen des Instituts entstanden. Der erste Teil enthält unveröffentlichte Texte aus den verschiedenen Institutsepochen, von Szondis Institut (1965–1971) über das professorenlose »Interregnum« (1971–1977) und die Zeit mit Eberhard Lämmert, Peter Brockmeier, Winfried Menninghaus, Hella Tiedemann und Gert Mattenklott bis in die jüngere Vergangenheit, in der Gastprofessuren von internationalen Autoren und Übersetzern den Horizont noch einmal erweitert haben. Die Rückblicke des zweiten Teils zeigen das Institut als einen (auch kontroversen) Erinnerungsort. Eine ausführliche Chronik rundet den Band ab.