»Latenz« bezeichnet als spezifischer Modus des Verborgenseins und der Wirksamkeit aus dem Verborgenen eine ebenso alte wie virulente Figur. Cicero definiert die schicksalhafte Macht der fortuna durch die »Latenz« ihrer Ursachen. In der Erläuterung natürlicher Vorgänge rekurriert Francis Bacon auf »latente« Mechanismen und Prozesse. Die moderne Physiologie misst »Latenzzeiten«, der Behaviorismus postuliert »latentes Lernen«. Die Statistik erfindet »latente Klassen«, die Soziologie »latente Funktionen«. Die Psychoanalyse interpretiert »latente Inhalte«; die Fotografie entwickelt »latente Bilder«, und die Theorie zeichenhafter Bedeutung weiß den manifesten Sinn auf »latente Bedeutungen« und »latente Tiefenstrukturen« sprachlichen Sinns zurückbezogen.
Ein Begriff von so komplexer Artikulation bedarf einer ebenso differenzierten wie pointierten Annäherung. Eben diese vollzieht dieser Band in 40 Beiträgen, in denen das Konzept der Latenz ausgehend von einzelnen Begriffen, konkreten Konstellationen und spezifischen Materialien entwickelt wird. Die Annäherungen, die von Literaturwissenschaftlern und Philosophen, von Theaterwissenschaftlern und Soziologen, von Kunsthistorikern und Wissenschaftshistorikern geschrieben wurden, und deren Spektrum von »Analogie« bis »Werden«, von »Gespenst« bis »Gleichnis«, von »Fotografie« bis »Echo«, von »Nachwirkung« bis »Fieber« reicht, erproben die Fähigkeit des Latenzbegriffs, zu dem zu werden, was er – latent – womöglich schon längst ist: zu einem Grundbegriff der Kulturwissenschaften.
Buch Taschenbuch, broschiert
Kaleidogramme, Band 24
Juli 2007
244 Seiten
15 x 23 cm
ISBN 978-3-86599-039-6 9783865990396
Buch
22,50 €
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