Musik war einmal Musensache. Und ihr musisches Tun, verkörpert durch den Gang und Gesang des griechisch-antiken Dichters, war da Kunst, Musenkunst. Seitdem hat die Muse und ihre Kunst sich in europäischen Musikkulturgeschichten nicht nur einmal verwandelt, und das nicht zuletzt aufgrund vormedientechnischer Bedingtheiten. So hat sich die Musenkunst im ausgehenden Mittelalter mit dem Schriftmedium zeitdiskreter Musiknotation zur Kompositionskunst gewandelt, die Muse des Dichtersängers in aufgeklärten Zeiten zum Genie des Komponisten. Im angehenden Informationszeitalter Mitte des 20. Jahrhunderts findet sich dieses komponistische Tun dann in medientechnischer Verkörperung, in Computervorgänge verwandelt vor. Nach über zweitausend Jahren erscheint da, kurzgeschlossen gesagt, Musenkunst computerisiert, in Computermusikprogrammen wie Lejaren Hillers MUSICOMP und Iannis Xenakis’ FSM formuliert.
Doch nicht nur ohne Medien, sondern vor allen Dingen nicht ohne Ideologien, genauer gesagt, ohne diskursiv idealisierte Praktiken sind diese musikkulturellen Erscheinungen und Verwandlungen denkbar. Entsprechend stellt sich gleichermaßen die Frage nach medialen Bedingungen wie nach musikkulturellen Diskurspraktiken, die diese Idealisierungen in computermusikalischen Zeiten ermöglichten. Das herauszufinden, dazu sind hier Michel Foucaults Diskursanalysewerkzeuge am Wissen schaffenden Werk, im Diskursiven wie im (Vor-)Medientechnischen. Darin besteht diese ›Archäologie der Computermusik‹. Was in dieser Archäologie neben der Computermusik der Anfänge in den 1950/60er Jahren zur Diskussion steht, ist weiter das botenmediale Wesen von Musik zu jeder Zeit. Denn wie die Besichtigung des archäologischen Ausgrabungsortes ›Musikgeschichte‹ zeigt, bestehen in jeder Zeitschicht diskursiv gesetzte Kopplungen von medialen Kulturtechniken wie die des Musiknotierens mit (Meta-)Physischen Wesen wie Genie und Komponist. Darin wiederum stellt sich diese ›Archäologie der Computermusik‹ weiter als eine der Musik ganz allgemein dar. Mit dieser archäologischen Analyse im Anschluss an Foucault findet sich ein musikkulturwissenschaftlicher Ansatz ausgebildet vor, der sich »musikwissenschaftliche Medien- und Wissensarchäologie der Musik« nennen ließe.
Buch Taschenbuch, broschiert
Berliner PROGRAMM einer Medienwissenschaft, Band 9
Februar 2013
372 Seiten
23 Abbildungen
15 x 23 cm
ISBN 978-3-86599-154-6 9783865991546
Buch
39,80 €
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