Die Laokoon-Skulptur tritt vor das innere Auge, wenn von Lessings gleichnamigem Essay die Rede ist. Lessing selbst hat diese Skulptur aber wahrscheinlich nie gesehen. Dieser Umstand stößt bereits ins Herz dessen, was in der erkenntniskritischen Quasi-Medientheorie »Laokoon« verhandelt wird: das Sichtbare, das Unsichtbare; und das, was vor Augen steht und ›blind‹ gesehen wird. Um diesem Was-man-vor-Augen-hat (und doch nicht sieht) auf die Spur zu kommen, wird in der vorliegenden Arbeit Gotthold Ephraim Lessings kanonischer Essay »Laokoon. Oder über die Grenzen der Malerei und Poesie« von 1766 einer Relektüre unterzogen. Die Dissertation arbeitet dabei heraus, dass Lessings Theorie des Ästhetischen auf einer Theorie der Metapher gründet: also weniger ein ut-pictura-poesis-Diktum auflöst und verabschiedet, als vielmehr das »ut« zum Gegenstand und Ausgangspunkt seiner Überlegungen macht.
In sieben Textanalysen entwickelt die Studie Ansichten auf Lessings Thesen über die Wirkungsbedingungen der Künste, indem sie sich auf paradoxe Strukturen und die wechselseitigen Beziehungen zwischen Dichtung und Malerei konzentriert. Die Untersuchung entzieht sich der landläufig etablierten Lesart des »Laokoon«, die die hierarchisierende Unterscheidung zwischen Dichtung und Malerei hervorhebt und die beiden Kunstformen jeweils als ein spezifisches Medium der Zeit- beziehungsweise des Raums deklariert. Vielmehr zeigen die vorliegenden Detailstudien, dass Lessings Theorie die Medialität als solche thematisiert und in Form von komplexen Bezugnahmen anschaulich macht. Ins Zentrum seiner Ästhetik rücken Prozesse der Grenzüberschreitung und Funktionsweisen selbstreflexiver Imitation. Die Arbeit berücksichtigt insbesondere die Einflüsse von Lessings eigenen Leibniz- und Spinoza-Lektüren auf den »Laokoon«.
Buch Taschenbuch, broschiert
Kaleidogramme, Band 128
Dezember 2015
162 Seiten
15 x 23 cm
ISBN 978-3-86599-270-3 9783865992703
Buch
22,50 €
inkl. MwSt.zzgl. Versandkosten