Als Mitte der 1980er Jahre ein Mitglied der Roten Armee Fraktion, Knut Folkerts, beim Hungerstreik ins Koma gefallen war und an die Medizinische Hochschule Hannover gebracht wurde, stellte dieser Vorgang die Bundesrepublik vor ein Dilemma. Die Pflicht des Staates, Leben zu erhalten, stand dem individuellen Recht auf Selbstbestimmung gegenüber. Man entschied sich damals für die relativ neue Behandlung der Komamethode. Heiko Stoff widmet sich in seinem Buch einem Stück bundesrepublikanischer Geschichte, das weit über den damaligen Anlass hinaus medizinrechtliche und -ethische Fragen aufwirft. Deshalb ist diese Mikrogeschichte auch mehr als eine interessante Lokalstudie über einen Intensivmediziner und einen Hungerstreikenden sowie über den Ausnahmezustand an der Medizinischen Hochschule, bei dem schließlich über tausend schwer bewaffnete Polizeibeamte im Einsatz waren. Sie stellt vielmehr genau jenen Moment dar, an dem das ethische Prinzip von Willensfreiheit und Selbstverantwortung in einer medizinisch prekären und politisch brisanten Situation gerade anhand einer Gruppe exemplifiziert wurde, deren Autonomie qua Gesetzesbestimmungen suspendierbar erschien. Es ging darum, einen immer noch von beiden Seiten unerbittlich geführten Konflikt durch intensivmedizinische Intervention zu lösen, ohne dass dabei der Wille der Hungerstreikenden in Frage gestellt wurde.
Buch Klappenbroschur
Kaleidogramme, Band 186
September 2020
436 Seiten
10 Abbildungen
15 x 23 cm
ISBN 978-3-86599-458-5 9783865994585
Buch
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